Tuja Heller - Atelier für  Meditativen Tanz  und kreative Ausdrucksformen
Kreistanz, Heiltanz und Bewegungsmeditation, ritueller- und Folkloretanz, Ausdrucksspiel (Jeux Sacrè)
Tai Chi - Qi Gong -  Stilles Qi Gong - Yüan Dao


Eine Bildbetrachtung

Hier wollen wir einmal ein Beispiel aus der chinesischen Landschaftsmalerei näher betrachten. Das Gemälde von Wang Hui ist in drei große Teile aufgeteilt, welche von verschiedenen Perspektiven aus dem Betrachter fast eine Art Rundumsicht ermöglichen. Auf allen Teilen des Werkes überzieht ein sachter Nebel die Landschaft, an manchen Stellen weggeweht oder in die Höhe getragen von einem leichten Wind.  Die Bedeutung des Nebels mit seiner Ungreifbarkeit und rätselhaften Tiefe wurde nicht nur im Taoismus hervorgehoben, sondern auch im Welbild der Schamanen oder bei Carlos Castaneda. Diese fast mystische Naturerscheinung kann jedenfalls als ein geeignetes Sinnbild des Tao gelten.  Doch betreten wir nun einmal die hier vor uns ausgebreitete Landschaft:
 
....... Eine harmonisch gegliedertes, dennoch wildes Gelände lädt uns als Betrachter ein, in die Ferne hineinzuwandern. Während üblicherweise in der chinesischen Tuschmalerei Wege und kleine Brücken das Gelände erschließen und begehbar machen, ist hier nichts zu sehen von einem Werk von Menschenhand. Das ist ungewöhnlich. 

Die Landschaft ist in einem Urzustand, fast wie am Anbeginn der Zeit. Trotzdem wirkt sie nicht bedrohlich, sondern eher einsam. Die Menschen sind (noch) nicht zu erblicken. Die Atmosphäre ist mit einer starken Kraft (CHI) geladen. Bäume mit unglaublich zarten Formen winken uns zu. 


 
....... Auf dem mittleren Teil tauchen Felsenklippen auf. Diese stellen den Meisterberg (Gastgeber) und seine Schüler (Gäste) dar. Verglichen mit den sanft geformten Bergen des Hintergrundes wirken die Felsen eher roh. Der Begriff "Pu" im Taoismus kommt hier ins Bild, er bedeutet "Roheit" im Sinne des Unbearbeiteten, Ursprünglichen: 
"Wünsche nicht zu glitzern wie ein Juwel, sondern schroff zu sein wie ein unbehauener Fels."
Nebelschwaden oder Wolken wallen in großer Macht auf und verdecken einen Teil der Sicht. Geheimnisvolle Dinge brauen sich zusammen, eine starke Spannung und Kraft teilen sich mit. Gewitter und Sturm - heroische Stimmungen. 

 
........ Nach der Enge der Klippen eine direkt körperlich spürbare, wohltuende Weite. Eine herrliche Aussicht tut sich auf und ermöglicht es unserem Blick,  in die Unendlichkeit zu schweifen.
Der Betrachter entspannt sich unwillkürlich und folgt mit seiner Aufmerksamkeit dem sanften Lauf des Flusses, der rechts im Hintergrund mit dem Nebel und den Wolken eins wird. Nach wie vor sind die einzigen Begleiter des Wanderers Bäume und vielgestaltige Felsen, doch das Gefühl der Einsamkeit aus dem ersten Bildteil ist verschwunden. 
Der Mensch - als Betrachter und nun schon bereits ein stück weit ins Bild hinein"gewandert" ist nicht mehr einsam, sondern allein im Sinne von mit dem "All- eins - Sein".

Am vorliegenden Beispiel können wir deutlich sehen, aus welcher Grundmotivation heraus die Tuschemalerei ihre einmaligen Sichtweisen entwickelt hat. Eine derart sensible Darstellung kann nur aus dem tiefen Gefühl der Teilhabe an der Natur und aus inniger Liebe zur Welt und zum Leben entstehen. Der Mensch begreift sich hier inmitten einer großartigen und wunderbaren Welt als klein und unbedeutend, aber er akzeptiert seine vergängliche Rolle darin und gewinnt daraus seine Freiheit.  Das Leben ist letztlich, wie jene letzten Verse Nobunagas zum Ausdruck brachten, ein Traum inmitten eines Traumes oder wie im Spruch des Laotse:

Das große Gefäß wird spät vollendet,
der große Ton hat selten Klang,
das große Bild ist ohne Form.
Der rechte Weg birgt sich ins Namenlose.


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aktualisiert am 18.07.02